GOOD-BYE PARADISE?
PerformanceSpiele zur Ausstellung „THIS PLAY“

am 27. Januar 2023 im ARTER MUSEUM, Istanbul


Fotos: Sena Nur Taştekne © ARTER Museum 2023

 „Die Kinder verwandeln, wenn sie mit irgendwelchem Gerümpel spielen, das ihnen unter die Finger gekommen ist, in Spielzeug auch, was der Sphäre der Wirtschaft, des Kriegs, des Rechts und der anderen Aktivitäten angehört, die wir als ernsthaft zu betrachten gewohnt sind. Ein Auto, eine Schußwaffe, ein juristischer Vertrag verwandeln sich mit einem Schlag in ein Spielzeug. (…) Und dies bedeutet nicht das Fehlen von Sorgfalt, sondern eine neue Dimension des Gebrauchs, die der Menschheit von Kindern und Philosophen geliefert wird.“
(Giorgio Agamben in „Profanierungen“)

Sich „Spiele“ und „einzigartige Orte“ – wie in der laufenden Ausstellung THIS PLAY des ARTER Museums – auszudenken, ist nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Musik seit Jahrhunderten Thema. Bach schuf 1685 einen Rätselkanon, Mozart sein bekanntes Menuett mit Würfelspiel 1787, Anfang des 20. Jahrhunderts erdachte Erik Satie ein Stück in Form einer Birne, die Dadaisten stellten das Theater und den Gebrauch der Sprache auf den Kopf und vor allem in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zerflossen die Grenzen zwischen dem Visuellen und Auditiven und dies vor allem in der Fluxus-Bewegung und der musikalischen Avantgarde, und zwar insbesondere mit Nam June Paik und John Cage, um nur zwei Beispiele dafür zu nennen.

Das Prinzip Spiel darf jedoch nicht mit „bloßer Unterhaltung“ verwechselt werden. Denn heute sind die Dinge und mit ihnen das Spiel und auch sonstige Tätigkeiten der Menschen bestimmten materiellen Werten, Funktionen und kulturpolitischen Normen unterworfen. Diese zu tilgen und die Dinge mittels Kunst von religiösem Brauch und funktionalen, gesellschaftlichen Normen zu befreien, ist vielleicht der einzige Weg, das Spiel als Errettung des Schönen und des Paradieses zu erfahren. Denn wenn die Dinge nicht mehr spielerisch mit uns verbunden sind, werden sie zu dunklen Monstern, die einen schweren, schalltoten Schatten über uns werfen. Sie erzählen nichts.

Dabei ist das Prinzip des Spiels, des „erzählenden Spiels“, einen Ort zu erfinden. Kunsu Shim formuliert es so: "Ein leerer Raum ist ein Nirgendwo; eine unaufgezeichnete Zeit erzählt nichts. Musik aber erfindet einen Raum und erzählt eine Geschichte ohne Worte. Dies nennen wir Poesie. Ihre Art zu erzählen ist wie der Stoffwechsel eines Lebewesens, eine Photosynthese zwischen Eigenem und Fremden. Körperlich ist vor allem „Sich-Fühlen“. Ein fühlender Körper kann selbst denken und sich in die Welt setzen. Poesie ist die Erfindung eines Ortes, um ihn zu beseelen, anstatt ihn als ein rein biologisches Labor zu materialisieren. Poesie ist kein topologisches Nirgendwo, sondern ein Ort des Glanzes und des Elends. Am Ende vielleicht, wenn unsere Zeit vergangen ist, können wir erzählen, dass wir hier waren, gespielt und gelebt haben und von einer Zukunft geträumt haben? Ist aber ein erzählbarer Ort noch da, ist das Paradies noch nicht gänzlich abhanden gekommen." 

Das Programm

Kunsu Shim und Gerhard Stäbler erarbeiteten das Konzept GOOD-BYE PARADISE? für das ARTER Museum in Istanbul im Rahmen ihres sechswöchigen Aufenthalts in der Künstlerresidenz der Kunststiftung NRW. Den vollständigen Ablauf des PerformanceKonzerts finden Sie: hier

Das Interview mit Kunsu Shim und Gerhard Stäbler

Die 2015 gegründete, journalistische Multimediaplattform Medyascope.tv veröffentlichte am 5. Februar 2023 ein Interview mit Gerhard Stäbler und Kunsu Shim. Gesprächspartner war Cihan Ataş: hier

Link zum Event auf der Website des Museums ARTER (auf englisch): hier
Link zum Event auf der Website des Museums ARTER (auf türkisch): hier

Mit Unterstützung der Kunststiftung NRW und des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW

     

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